Homo Sapiens bewegen sich, seit sie existieren
Migration ist damit eher die Norm als die Ausnahme. Dennoch ist genau das Gegenteil wahrnehmbar. Die regulären Geschichtsschreibungen spiegeln meistens die Perspektiven einer Mehrheitsgesellschaft.
In Schulbüchern und in Unterrichtsstunden werden geschichtliche Ereignisse fast ausschließlich aus einer Perspektive derjenigen erzählt, die der Mehrheit angehören. Perspektiven von Menschen, die in ein Land immigriert sind oder diejenigen ihrer Kinder oder Enkelkinder kommen in diesen Geschichtsschreibungen nicht vor. Sie werden höchstens am Rande als Prozess einer bestimmten Zeit erwähnt. Dass sie aktive mitgestaltende Menschen der Geschichte eines Landes sind mit Perspektiven und Positionen - genau wie die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft - bleibt zumeist unerwähnt. Eine solche Geschichtsschreibung ist aus mehreren Gründen unzureichend und ausgrenzend: Es fehlen die Geschichten dieser Menschen, die nach ihrer Migration oder der ihrer Vorfahren, aktiv eine Gesellschaft mitgestalten. Außerdem fehlen ihre Erfahrungen und Prozesse, die für eine multiperspektivische Geschichtsschreibung unerlässlich sind, die sie und ihre Kinder und Enkelkinder zu aktiven Gestalter*innen werden lassen. Geschichte wird durch sie kompletter, diverser und mehrdimensional.
Die Postmigrantische Perspektiven Seminare der Jugendbildungsstätte Kaubstraße wollen die Teilnehmenden inspirieren, genau diese Sichtweisen kennenzulernen, anstatt wiederkehrende geschichtliche Motive in gleichen Formaten zu behandeln, unterschiedliche Sichtweisen auf z.B. die Wende- und die Nachwendezeit in Deutschland aufzuzeigen und somit inklusiv und vielfältig zu denken. Sie wollen Raum schaffen für Historie, Hintergrund und persönliche Geschichten, für Zahlen und aufrichtige Auseinandersetzungen, für die Frage von Identität und eigener Verwobenheit, für Solidarität und Empowerment. Glücklicherweise muss auch gar nicht lange gesucht werden nach diesen bislang kaum wahrgenommenen Perspektiven. Sie sind in unseren eigenen Familien und Freund*innenschaften spür- und sichtbar oder in den Familien und Freund*innenschaften unserer Kolleg*innen, Mitschüler*innen, Nachbar*innen. Wir brauchen quasi nur hinzuhören…